Wahl der Präsidentin der Europäischen Kommision

Die überraschende Wahl von Ursula von der Leyen (UvdL) zur Präsidentin der EU Kommission wird auch innerhalb von Pulse of Europe und innerhalb unserer Gruppe kontrovers diskutiert.

Ich möchte deshalb ausdrücklich betonen, dass der folgende Text nur meine persönliche Meinung darstellt. Die offizielle – und natürlich wesentlich ausgewogenere – Stellungnahme des Vorstandes von Pulse of Europe findet ihr mit folgendem Link:
Zur Stellungnahme des Vorstandes von Pulse of Europe

Das Spitzenkandidaten-Prinzip

Im Vorfeld der Wahl wurden von den einzelnen Partei-Gruppierungen sogenannte Spitzenkandidaten ausgewählt. Damit wurde der Eindruck erweckt, der Wähler könne direkt mitentscheiden, wer der neue Präsident der Kommision wird. UvdL war weder Spitzenkandidatin noch auf irgendeiner Wahlliste präsent. Nachdem sich das Parlament nicht gleich einigen konnte, wurde UvdL aus dem Hut gezaubert.

Für die Wähler, die glaubten, über den Kommisionspräsidenten mitentscheiden zu dürfen, ist es eine große Enttäuschung, dass ihre Stimme einfach ignoriert wurde. Dies ist Wasser auf die Mühlen derer, die in den Führungsgremien der EU ein demokratisch nicht legitimiertes Geklüngel vermuten.

Von Befürwortern der Wahl UvdLs wird argumentiert, das das Spitzenkandidatenprinzip in keinem EU-Vertrag vorgesehen ist und nur in einem Teil der EU-Länder dem Wähler präsent war. Zudem seien europaweite Wählerliste eine sehr viel bessere Möglichkeit, eine tranparente Wahl des Kommisionspräsidenten sicher zu stellen.

Das ist alles richtig. Leider gibt es aber keine europäischen Wählerlisten und ob sie jemals kommen werden, ist derzeit nicht zu sagen. Deshalb war das Spitzenkandidaten-Prinzip sicher nicht ideal, aber zumindest ein kleiner pragmatischer Ansatz einer transparenteren Wahl. Dass dieses zarte Blümchen inner-europäischer Demokratie gleich beim zweitenmal wieder zertreten wurde, ist zutiefst bedauerlich.

Außerdem wird argumentiert, der “mündige Bürger” würde sowieso besser die Parteiprogramme berücksichtigen und nicht die Personen. Das ist nur theoretisch richtig. Papier ist geduldig und deshalb enthalten praktisch alle Partei- und Wahl-Programme eine Vielzahl hehrer Ziele. Was jedoch in der praktischen Arbeit davon berücksichtigt wird und mit welcher Intensität es verfolgt wird, hängt von den Personen ab, die gewählt werden. Deshalb handelt der Wähler durchaus vernünftig, wenn er nicht nur wissen will, was er wählt, sondern auch, wen er wählt. In Deutschland hat sich deshalb zurecht der “Kanzlerkandidat” etabliert, obwohl auch diese Rolle in keinem deutschen Wahlrecht vorgesehen ist.

Die Person von der Leyen

Von den Befürwortern von UvdL werden meist drei Argumente angeführt. Erstens sei sie eine Frau, was bei dem Männerüberschuss in den politischen Führungsgremien sehr wünschenwert ist. Zweitens spricht sie drei Sprachen. Und drittens sei sie überzeugte Europäerin.

Die ersten beiden Punkte sind unbestreitbar, Aber genügt es wirklich als Qualifikation zur Kommisionspräsidentin eine Frau zu sein und 3 Sprachen zu sprechen? Dann hätten wir eine große Auswahl an zukünftigen Präsidentinnen. Ich könnte ein paar Mitglieder der Pulse of Europe Gruppe in Offenburg vorschlagen.

Beim dritten Punkt habe ich so meine Zweifel. UvdL ist CDU-Mitglied und die CDU ist im Partei- und Wahlprogramm eindeutig pro-europäisch. Allerdings sind weder die Parteivorsitzende noch die Kanzlerin, deren Regierung UvdL angehört, noch UvdL selbst in den letzten Jahren durch besonderes pro-europäisches Engagement aufgefallen. Ganz im Gegenteil, die Reformvorschläge des französischen Präsidenten zum Beispiel wurden von der Kanzlerin mit monatelangem Schweigen behandelt und von AKK kam gleich zu Amtsantritt eine herbe Abfuhr. Ein europäisches Engagement der CDU und ihrer Regierungsvertreter ist eigentlich nur dann zu beobachten, wenn es gilt, Umweltrichtlinien zu verhindern, die der deutschen Autoindustrie schaden könnten.

Was für UvdL sprechen könnte, ist ihre lange Erfahrung (allerdings nicht in der Europapolitik) und ihre Bereitschaft, auch schwierige Aufgaben zu übernehmen wie das Verteidigungsministerium. Leider muss man konstatieren, dass sie die Aufgaben zwar willig übernommen, aber keineswegs gemeistert hat. Sie hat nie ein positives Verhältnis zur Truppe etablieren können, und die Personal- und Ausrüstungssituation hat sich in ihrer Amtszeit weiter verschlechtert. Zuletzt ist sie auch durch die Beschäftigung seltsamer Consulting-Firmen in massive Kritik geraten.

Auch hier ist es also schwierig, eine besondere Qualifikation für ihr neues Amt zu erkennen. Aber sie wurde ja auch nicht gewählt, weil irgendwer sie für besonders qualifiziert hielt. Sie wurde gewählt, weil – wieder einmal – ein Minimal-Konsens gebraucht wurde, bei dem keiner der Regierungschefs sein Gesicht verloren hätte. Die wesentlich qualifizierteren Spitzenkandidaten Timmermans und Verstager (übrigens Frau und vielsprachig) wurden ja durch ein “Veto” der Rechtspopulisten verhindert, da beide in ihrem überzeugten und überzeugendem Eintreten für demokratische Werte diesen Herren bereits auf die Füße getreten hatten.

Dass der EU-Rat und das Parlamant vor diesem Veto eingeknickt sind, ist die eigentliche katastrophale Botschaft dieser Wahl von UvdL. Denn jetzt ist klar: Keine(r) kann eine Spitzenposition in der EU erwarten, wenn sie oder er im Vorfeld bereits für europäische Werte eintritt.

Sicher, durch die Wahl UvdL wurde ein schmerzhafter Streit und eine längere Hängepartie vermieden. Aber wenn es um europäische Werte geht, hätte man vielleicht auch mal den Konflikt suchen und aushalten können.

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