In Zeiten einer Krise werden viele gewohnte (Ordnungs-)Systeme außer Kraft gesetzt, ein Ausnahmezustand ist etwas Besonderes. Eine Krise zeigt Schwachstellen auf und gibt auch immer die Gelegenheit, nötige Verbesserungen anzugehen. Manches sofort, manches nach Überwindung der Krise mit Bedacht und Sorgfalt.
Wir können, wir sollen die aktuelle Phase nutzen und nachdenklich werden… so wie ich es gerade bin. Was macht „Corona“ mit mir, mit unserer Gesellschaft, mit unserem Land, mit Europa, mit der Welt?
Im ganz persönlichen, familiären Umfeld kommen Fragen auf wie „Führe ich das Leben, das ich leben möchte? Was ist wirklich wichtig?“.
Im politischen Kontext wird mir sehr bewusst: So wie es bei uns in Deutschland in unserem föderalen System an der Tagesordnung ist, so geht es auch in einem Europa zu, in dem jede Nation auf ihre Souveränität bedacht ist. Es gibt individuelle Entscheidungen, ein „Vorpreschen“, aber auch wieder das bewusste Einschwenken und „Zurückrudern“ auf eine gemeinsame Linie.
Man kann die aktuelle Situation bei uns manchmal als „wenig abgestimmt“ empfinden, man kann zentral regierten demokratischen Ländern wie Frankreich oder auch Parteidiktaturen wie China eine rasche und wirksame Politik in Krisensituationen nachsagen – aber Krise und Alltag müssen klar getrennt werden. In einer Krise muss ohne Zeitverlust zweckführend agiert werden. Übereinstimmende Entscheidungen im Alltag wiederum brauchen Zeit, wenn sie unter Einbeziehung vieler Institutionen mit Bedacht getroffen werden sollen.
Auch wenn während der „Corona-Pandemiewochen“ an manchen Tagen meine Zuversicht im Hinblick auf unser gesellschaftliches und politisches Miteinander erschüttert wurde – ich glaube trotzdem an unseren kreativen Föderalismus, an die Europäische Union, an ein ständiges Verbessern der demokratischen Strukturen in ruhigen Zeiten. Und zugleich wünsche ich mir ein besseres Krisenmanagement.
So, wie unser Bundesinfektionsschutzgesetz nach der Krise verschärft werden muss, so haben auch die Regierenden in Europa verstanden, dass man untereinander nicht über Medikamente und Atemschutzmasken streiten müsste, wenn sie ausreichend in Europa produziert und geordnet verteilt werden. Abkehr von der Globalisierung ist keine Option, aber neue gemeinsame europäische Strukturen und Gesetze sind gefragt. Für die Krise und für den Alltag.
Der Blick auf dringende sozialpolitische europäische Fragen sollte geschärft werden: es kollabieren gerade jene Gesundheitssysteme, die unter dem Sparzwang der EU besonders drastisch zusammengestrichen wurden. Die Frage nach Gemeinschaftsanleihen wird laut, nach Staatsschulden, die alle Mitglieder der Eurozone gemeinsam absichern. Gerät ein Mitglied einer Gemeinschaft unverschuldet in Not, dann ist Solidarität selbstverständlich.
Kant mit seinem grundlegenden ethischen Prinzip rückt wieder in den Vordergrund: „Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns zur Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung gemacht werden kann“. Solidarität, Humanität, der Blick auf das Gemeinwohl – das macht uns Menschen aus.
Wir haben die Chance, unser Leben neu zu ordnen, nutzen wir sie: für uns, für unser Land und für Europa.
2 Gedanken zu „Überlegungen in Zeiten der Corona-Krise“
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Danke für den optimistischen Text mit der Aufforderung, die Krise als Chance zu sehen!
Corona zwingt uns in unser Zuhause und darüber nachzudenken, ob wir unser bisheriges Leben so weiterführen können oder sollten.
Sehr gut gefällt mir das Zitat von Kant, das ich bisher nicht kannte:
„Handle stets so, dass die Maxime deines Handelns zur Maxime einer allgemeinen Gesetzgebung gemacht werden kann.“
Zum Thema „europäische Solidarität in Zeiten von Corona“ wird von Pulse of Europe auch in den sozialen Netzwerken unter dem Hashtag #PoEWatchesEU diskutiert.
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